24 Tage bis Weihnachten, 24 Thesen zum 1. FC Köln.
These 8: Hätten wir gegen Dresden verloren,wäre Anfang nicht mehr Trainer des 1. FC Köln
Begründung:
Ich bin mir relativ sicher, dass im Saisonrückblick das Spiel gegen Dresden (wie ging das nochmal aus? Knapp 1:0 oder so?) als Wendepunkt bezeichnet werden wird – und so mag das auch sein.
Denn davor gegen den HSV war ja im Wesentlichen das, was der kicker gerne als „Systemabsturz“ bezeichnet: Nichts ging mehr. Das 4-1-4-1 war offensichtlich gescheitert, es produzierte keine Präsenz im Zehnerraum (was auch an den eingesetzten Spielertypen lag), Simon Terodde verhungerte im Strafraum mit gefühlten 6 Ballkontakten, um mehr defensive Stabilität reinzubekommen, spielte Özcan auf der 8, dadurch musste aber Louis Schaub auf den Flügel ausweichen und weil wir keinen Linksaußen haben, spielte Guirassy zum wiederholten Male dort, der seine Rolle aber gewohnt unorthodox interpretierte – was an guten Tagen einen Gegner aus den Konzept bringen kann, an schlechten Tagen aber auch die defensive Doppelung verhindert.
Auch defensiv brachte das System keine Stabilität und keinen Zugriff auf den immer wieder gefährlich aufrückenden Douglas Santos und den überraschend agilen Aaron Hunt, Orel Mangala durfte ungestört das Spiel von hinten aufziehen. Insgesamt stand so ein Torschussverhältnis von 7:4 für den HSV zu Buche, den Sieg darf man insgesamt als verdient bezeichnen.
Markus Anfang wurde zumindest von der Fanszene angezählt, auch von Armin Veh kamen
deutliche Wünsche nach Reflexion des Gesehenen – kurz: ein Trainer am Scheideweg. Im Rückblick mutmaßte zum Beispiel der
FC-Podcast des Express‘, dass nicht mehr alle Spieler das System mittrügen.
Bis dahin hatte Anfang sich immer als Dogmatiker gezeigt, der sein System über das Spielermaterial stellt und lieber, zum Beispiel, einen Guirassy links draußen spielen lässt, oder einen Terodde/Córdoba/Sobeich/Meré/Koziello auf der Bank lässt, als sein System so umzuwerfen, dass die stärksten 11 Spieler auf dem Platz stehen können.
Es gibt sicher Leute, die das gut und sinnvoll finden, denn Spieler kommen und gehen, ein System könnte man einem Verein aber durch alle U-Mannschaften hinweg implementieren und dann bei den Profis ebenfalls umsetzen – so wie Ajax jahrelang im 4-3-3 gespielt hat oder bei Barca selbst den Bambinis in La Masia schon das Ballbesitzspiel beigebracht wird.
Dagegen gibt es aber auch eher pragmatische Menschen, zu denen ich mich zähle, die der Meinung sind, wer so etwas implementieren möchte, sollte dafür Jahre(!) einplanen, in denen dann auch der sportliche Erfolg nicht an erster Stelle stehen kann. Der Effzeh aber ist quasi zum Aufstieg verdammt und wird in der Bundesliga alles dem Klassenerhalt unterordnen. Für Philosophien ist da wenig Platz. Zudem hatten wir also mit Peter Stöger, einem der größten Pragmatiker der Bundesliga, die bisher erfolgreichste Saison der letzten 25 Jahre.
Bei Anfang hatte man jedoch recht früh das Gefühl, dass man es mit einem Dogmatiker statt eines Pragmatikers zu tun hätte – Anpassungen passierte bei ihm nur personell (Özcan auf die 8) und durch die jeweilige Rolleninterpretation der Spieler. Ab und an wurde Özcan dann zwar angewiesen, sich neben Höger fallen zu lassen, aber an den großen Stellschrauben wurde nicht gedreht.
Doch anscheinend haben viele Fans – und habe auch ich – Herrn Anfang Unrecht getan. Denn während ich in der Vorschau-Folge auf das Dresdenspiel noch resignierend feststellte, dass mit einer Dreierkette ja eher nicht zu rechnen sei, zauberte Anfang sein 3-5-2 aus dem Hut, das seitdem (Stand: vor dem Regensburg-Spiel) 15:1 Tore produziert hat, Córdoba zu einem ersten Schritt hin zum Durchbruch verholfen hat und auch die Defensive nennenswert stabilisiert hat – zum Einen, weil die meisten Zweitligamannschaften froh sind, wenn sie überhaupt einen treffsicheren Stürmer haben, um den sich dann der zentrale Mann der Dreierkette kümmern kann, zum Anderen, weil die Dreierkette gegen den Ball blitzschnell zur Fünferkette werden kann und letztlich weil Marco Höger weniger Raum alleine abdecken muss.
Hier hat Anfang also die taktische Flexibilität gezeigt, die ihn zum Pragmatiker werden ließen. Gezeigt, dass der Verein und seine Ziele über dem System eines Trainers stehen (hallo, Herr Solbakken!) und anscheinend wohl auch auf den Rat seiner Führungsspieler gehört hat.
Kurz: Er hat die Situation richtig erkannt, die richtigen Schlüsse aus seinen Erkenntnissen gezogen und damit eine sehr vertrackte Situation gelöst. Statt den gordischen Knoten lösen zu wollen, hat er ihn in der Mitte durchgeschlagen. Das KÖNNTE der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein.
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Kommentare
Eine Antwort zu „Türchen 8“
[…] Besseren belehrt hat und systematische Flexibilität beweisen hat, was ihm letztlich vielleicht den Job gerettet hat. Dem lag ja die Erkenntnis zugrunde, dass sein System nicht zu den vorhanden Spielern passt […]