Der 1. FC Köln
Abgänge:
Keine nennenswerten.
- Matthias Lehmann hat seine Karriere beendet, zuletzt aber auch nicht mehr gespielt, er wird eher als Leader in der Kabine und als Typ fehlen, nicht aber fußballerisch.
- Tim Handwerker hat nie eine echte Chance bekommen, intern haben ihm die Youngster Ismail Jakobs, Noah Katterbach und Darko Churlinov den Rang abgelaufen, er wechselt zu Nürnberg.
- Von den letztjährigen Stammspielern der Rückrunde geht nur Johannes Geis, dessen kurzer Vertrag ausgelaufen ist. Er hat zwar viele Assists nach Standards gesammelt, konnte aber fußballerisch auf der Sechs nie überzeugen und hat selbst in der 2. Liga keine Dominanz ausgestrahlt oder das Spiel an sich gerissen. Sein Abgang wird sportlich kompensierbar sein.
Zugänge
Hier finden sich einige spannende Spieler:
- Kingsley Schindler (25, RA, Holstein) kam von Holstein Kiel auf Empfehlung/Wunsch von Markus Anfang. Wird daher in Köln eher skeptisch gesehen (wie alle “Anfang-Spieler”, inkl. Drexler), auch weil er mit 25 nur eine Saison Zweite Liga gespielt hat. Hat aber durchaus eine ansprechende Vorbereitung bis hierhin hingelegt und bringt das dringend benötigte Element der Schnelligkeit mit – an Marcel Risse wird er wohl vorbei kommen, aber wenn man mit Doppelsechs spielen will, muss auch Louis Schaub irgendwo hin.
- Kingsley Ehizibue (24, RV, Zwolle): Ganz spannender Niederländer, der sich bisher beim PEC Zwolle versteckt hatte. Könnte die ewige Problemposition beim Effzeh, die Rechtsverteidigerposition, endlich schließen – wenn er denn in der Defensivarbeit noch griffiger wird. In der Vorbereitung lag sein Überraschungspotential eher in den dynamischen Offensivläufen als in der engen Markierung defensiv – hier ist “Easy” noch zu luftig unterwegs. Offensiv könnten die beiden Kings aber einige Erstligisten vor Herausforderungen stellen.
- Birger Verstraete (25, DM, Gent): Nicht der gesuchte körperlich robuste Sechser (1,75m), könnte aber trotzdem eine Verstärkung auf dieser Position darstellen, weil er dynamischer und schneller wirkt als Höger und der abgegangene Geis. Könnte mit Höger oder Özcan ein gutes Duo auf der Sechs bilden, hat aber in der Spieleröffnung bisher noch nicht für Staunen gesorgt. Siehe auch unten (Skhiri).
Hochgezogen von der U19:
Ostrak (ZOM), Katterbach (LA), Churlinov (LA, ST) – besonders letzterer hat in der Vorbereitung richtig Alarm gemacht und mehr genetzt als Modeste und Co. Zudem stellt er einen Spielertypus da, den unsere anderen Stürmer nicht verkörpern, da diese doch eher über körperliche Wucht kommen, Churlinov aber auch die feine Klinge beherrscht – vielleicht der beste Techniker unter dne vier Stürmern. Wenn Beierlorzer ihm vertraut, könnte er zur Positivüberraschung werden.
Wo noch gesucht wird
Der Transfer von Ellyes Skhiri (24, Montpellier, 7 Mio.) steht unmittelbar bevor. Er könnte der körperlich robuste Sechser sein, der dem Kader fehlt. Fiel beim Afrika Cup nicht weiter auf, Einschätzung zur Zeit noch nicht möglich. Zudem fehlt noch ein schneller, dynamischer IV, da unsere bisherige IV eher in die Kategorie Frachtschiff fällt, soll ein Speedboot kommen. Geld ist nach Skhiri keins mehr da, also läuft es auf eine Leihe hinaus. Namen wie Zambrano und Jesus Vallejo wurden diskutiert, ersteres stellte sich als Ente heraus, letzteres ist unrealistisch, da England mitmischt.
Der Trainer
Beierlorzer hat es auf Anhieb geschafft, die negative Stimmung am Geißbockheim zu lösen und durch Lockerheit zu ersetzen. Dabei wahrt er bislang die Linie zwischen (natürlicher) Autorität und Lockerheit – all dies war Markus Anfang zu keiner Zeit gelungen. Als Alumni der RaBa-Fußballschule sollte Beierlorzer zudem mannschafts- und spieltaktisch mehr drauf haben als Anfang. Die Vorbereitung unter ihm verlief fast ideal – allerdings: gegen den einzigen Bundesligisten (Werder) wurde verloren, allerdings eher unglücklich und man war auf Augenhöhe.
Pawlak könnte als Co-Trainer wichtig werden, da die Spieler ihm vertrauen. Allerdings ist er auch (zumindest in den Medien) ein Damoklesschwert über Beierlorzers Kopf, wenn es mal nicht läuft, da er langfristig Cheftrainerambitionen hat (und das ja letzte Saison auch schon war). An seiner Loyalität ist aber nicht zu zweifeln, das Thema kommt eher von außen.
Spielsystem
Es läuft wohl alles auf ein 4-4-2 heraus. Beierlorzer hat angekündigt, etwas höher und aktiver spielen zu wollen als zuletzt und setzt eher auf den gepflegten Ball als auf hoch und weit – scharfe Flachpässe und klatsch-pass hat er im Trainingslager immer wieder üben lassen. Allerdings sind schon viele Trainer in Köln mit einem System angetreten und am Ende krachend damit gescheitert (Rapolder, Solbakken, Anfang) – wirklich erfolgreich war in den letzten 20 Jahren nur der Pragmatiker Stöger, der komplett zynischen Zerstörungsfußball spielen ließ und davon ausgehend erst langsam etwas Ballbesitz einbaute. Beierlorzer muss daher zeigen, ob er sein System vermitteln und auch bei Negativserien (siehe “Aufttaktprogramm”) daran festhalten kann. Davon wird viel abhängen, da von einem Fehlstart auszugehen ist.
Auftakt
Knüppelhart. Im Pokal wartet eines der schwersten Lose für einen Erstligisten, nämlich der Zweitligist Wehen, der dann schon im Pflichtspielbetrieb ist und Ingolstadt aus der Relegation geschossen hat. Ein typischer Erste-Runde-Schongang wird das ganz sicher nicht. Danach warten in der Reihenfolge Wolfsburg (A), Dortmund (H), Freiburg (A), Gladbach (H), Bayern (A) – die DFL hat es wahrlich nicht gut gemeint mit uns. Ein Fehlstart mit 0-2 Punkten nach 5 Spielen ist ein nicht unrealistisches Szenario und wird schlimme Erinnerungen an die letzte Erstligasaison wecken. Der Best Case wären vermutlich 5-6 Punkte. Aber man muss damit rechnen, sich nach den ersten 5 Spielen auf einem Abstiegskampf wieder zu finden. Viel wird davon abhängen, ob man die Ruhe wahren wird und ob Beierlorzer die Spieler nicht verlieren wird.
Gefahren
Neben dem Auftaktprogramm bietet der Kader Gefahrenstellen in dem Sinne, dass alle Spieler auf sehr ähnlichem Level agieren und daher immer Härtefälle entstehen. Einer der drei Stürmer Modeste/Cordoba/Terodde muss im 4-4-2 auf die Bank (und gerade von Modeste weiß man, dass er das nicht klaglos tut), die Idealpositionen von Drexler und Schaub existieren nicht, von 5 oder 6 Sechsern im Kader können nur 2 spielen, usw.
Beierlorzer wird viel als Pädagoge und Moderator gefragt sein und hat zudem ein ansprechendes Personalpuzzle vor sich.
Außerdem haben von den Spielern im Kader bisher nur Hector, Horn, Höger und Modeste bedingungslose Erstligatauglichkeit bewiesen. Alle anderen haben viel Potential, aber bislang immer nur in schwächeren Ligen ihr Können gezeigt. Zudem sind alle um die 24, was heute auch nicht mehr wirklich als “Youngster” durchgeht.
Außerdem lassen die bisher anwesenden Defensivkräfte nicht wirklich ein “Hohes und aktives” Spielsystem zu, da es hier fast allen Akteuren an Dynamik und Geschwindigkeit fehlt. Allerdings ist die Transferphase ja noch nicht vorbei.
Potentiale
Das Gedränge im Kader kann auch eine große Stärke sein, da so gut wie jede Position (außer vielleicht die linke Seite) doppelt ohne große Leistungsabfälle besetzt ist. Vielleicht spornt ein temporärer Bankplatz ja auch an, Erbhöfe wie unter Anfang gibt es nur noch für Hector und Horn – jeder andere wird um seinen Platz kämpfen müssen.
Zudem haben Schaub, Churlinov und Ehizibue allesamt das Potential zum Breakout-Spieler. Auch Spieler wie Drexler oder Czichos brennen darauf, sich in der ersten Liga beweisen zu dürfen.
Und: Nach 5 Spielen hat man wenigstens das Schlimmste hinter sich.
Andere wichtige Themen
Die Präsidiumswahl Anfang September hat Potential, mal wieder zur Stunksitzung zu werden. Bislang hat man ein Interimspräsidium (nach Spinners Rücktritt), das kein Wort miteinander wechselt und sich soweit wie möglich aus dem Weg geht. Zum Glück scheint Wolfgang Bosbach es nicht auf eine Kampfkandidatur ankommen lassen zu wollen, aber in Köln weißte nie. Ob ein Toni Schumacher sich wirklich in Würde abwählen lässt, oder zur BILD rennt, weiß man auch noch nicht.
Zudem gibt es weiter ein brodelndes Thema um den Stadionausbau und China-Investoren sind auch noch nicht gänzlich vom Tisch. Auf den neuen Präsidenten wird einiges zukommen. Wenigstens macht die U19 Freude.
Fazit
So ziemlich nach dem 6. Spieltag wird man beim FC sehr klar ablesen können, wo die Reise hingeht. Die Vorbereitung lässt einiges erwarten, aber das ist ja meistens ein schlechtes Zeichen. Vermutlich würde jede/r in Köln sofort Platz 15 am Saisonende unterschreiben – was mit dem Spielermaterial durchaus drin ist.